„Es ist an der Zeit, Verantwortung zu leben“
Heringsessen der SPD Lambrecht – Reinhold Niederhöfer und Giorgina Kazungu-Haß
schlagen nachdenkliche Töne an
(sh.) Am Aschermittwoch veranstaltete der SPD-Ortsverein Lambrecht sein diesjähriges
Heringsessen, zu dem der Ortsvereinsvorsitzende Jens Fadenholz die SPD-
Landtagskandidatin Giorgina Kazungu-Haß und den Bürgermeister der Verbandsgemeinde
Grünstadt-Land, Reinhold Niederhöfer, als Hauptredner begrüßen konnte.
In seiner Eröffnungsansprache betonte Fadenholz, dass das Heringsessen von einem
schrecklichen Ereignis überschattet werde, nämlich dem Zugunglück in Bayern. Während
viele Heringsessen, auch das der SPD in Mainz, abgesagt worden seien, habe man sich in
Lambrecht bewusst dafür entschieden, das Heringsessen durchzuführen, dabei aber
ausdrücklich nicht den politischen „Schlagabtausch“ in den Vordergrund zu stellen.
Fadenholz konnte zahlreiche Amtsträger sowie Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen
und Institutionen begrüßen. Sein besonderer Gruß galt den Flüchtlingen, die am Heringsessen
Bezahlbaren Wohnraum sicherstellen
Auch Reinhold Niederhöfer, der in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender der SPD im
Kreistag Aktuelles aus dem Landkreis Bad Dürkheim berichtete, ging zunächst auf das
Zugunglück in Bad Aibling ein. Aus Respekt vor den Toten und deren Angehörigen sei es
angemessen, in diesem Jahr beim Heringsessen etwas sanftere Töne zu wählen. Bei aller
Vorsicht in der Wortwahl müsse man aber auch die anstehenden Probleme klar benennen.
Insbesondere machte er deutlich, dass sich der Kreis und die Kommunen im Blick auf das
derzeit drängendste Problem, die Zuweisung von Flüchtlingen, vom Bund weitgehend im
Stich gelassen fühlten. Was die Flüchtlingszahlen angehe, seien aus Berlin im letzten Jahr fast
jeden Tag neue Annahmen gekommen. Bis Ende 2015 seien dem Kreis insgesamt 1300
Flüchtlinge zugewiesen worden. Der Kreis tue sein Möglichstes, und bis jetzt habe alles sehr
gut funktioniert, aber es werde immer schwerer, Wohnungen für die geflohenen Menschen zu
Die Töne, die in der Flüchtlingsdebatte angeschlagen würden, gefielen im teilweise gar nicht,
stellte Niederhöfer klar. So sei es wenig zielführend, wenn jemand, der sich um ein hohes
Amt in Rheinland-Pfalz bewerbe, Merkel-Kritiker mit den Worten „Einfach mal die Klappe
halten“ mundtot machen wolle. Wenn sich auf der anderen Seite aus München eine Stimme
erhebe und von einer „Herrschaft des Unrechts“ spreche, müsse die Frage erlaubt sein:
Nachdenklich mache ihn, dass laut einer Umfrage acht von zehn Deutschen der Ansicht seien,
dass die Bundesregierung die Flüchtlingslage nicht im Griff habe. Leider profitiere von dieser
Unzufriedenheit besonders die AfD. Viele befürchteten auch, dass das Engagement für
Flüchtlinge zu Lasten der sozial Schwachen im Land gehe. Ein Aspekt, der hier eine Rolle
spiele, sei die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Wenn ein Vermieter die Wahl habe, ob er
eine Wohnung an sozial Schwache oder an die Kommune zur Unterbringung von
Flüchtlingen vermiete, werde er sich im Zweifelsfall wohl eher für die Kommune
entscheiden, um Mietausfälle zu vermeiden. Deshalb dürfe man neben dem guten und
sinnvollen Engagement für Flüchtlinge diese Menschen auch nicht vergessen.
Im Blick auf den Landkreis müsse man die Frage stellen, ob genügend bezahlbarer
Wohnraum vorhanden sei. Schon lange vor der hohen Anzahl an Flüchtlingszuweisungen sei
er der Auffassung gewesen, dass das nicht der Fall sei, betonte Niederhöfer. Hier müsse sich
der Kreis in Zukunft mehr engagieren, zumal es in diesem Bereich derzeit interessante
Förderprogramme gebe. Dies sei auch eine Möglichkeit, dem demographischen Wandel zu
begegnen und der Abwanderung in die Großstädte vorzubeugen.
Kreis mit Rekordfehlbetrag
Anschließend ging Niederhöfer noch auf die Kreisfinanzen ein. Die Große Koalition im Kreis
funktioniere zwar recht gut, aber dennoch hinterfrage die SPD-Fraktion einiges kritisch,
gerade mit Blick auf die Finanzen. Hier müsse man zunächst zur Kenntnis nehmen, dass die
Zuweisungen des Landes noch nie so hoch gewesen seien wie jetzt, dass das Land bei der
Kita-Finanzierung deutlich nachgebessert habe, dass der kommunale Entschuldungsfonds
dem Kreis zusätzliches Geld in die Kasse spüle und die Kreisumlagen der Gemeinden
Rekordhöhe erreicht hätten. Insgesamt also habe der Landkreis noch nie so viele Einnahmen
erzielt. Dennoch bekomme der Kreis einen Rekordfehlbetrag von über 14 Millionen Euro und
werde bei den Banken Schulden von über 200 Millionen Euro haben. Dies liege daran, dass
der Bund die Aufgaben, die er dem Kreis übertragen habe, seit Jahren unterfinanziere. Alleine
die ungedeckten Aufwendungen im Sozialbereich beliefen sich derzeit auf 33 Millionen Euro.
„Wo ist da das in Berlin postulierte Gebot der Konnexität – dass derjenige, der Aufgaben auf
andere abwälzt, auch für die entstehenden Aufwendungen aufkommen muss?“, fragte
Niederhöfer. Für ihn sei das eine „grandiose Worthülse“. Diese Politik sei nicht glaubwürdig
und laufe Gefahr, die Bevölkerung in diesem Land zu verlieren.
Im Kreis müsse man zudem aufpassen, dass man die Aufgaben noch richtig wahrnehme.
Ganz vorne sei hier die Schulsanierung. Hier komme dem Landkreis zum Glück das
Investitionsförderungsgesetz entgegen, das dem Kreis mit bis zu 90 % der Aufwendungen
helfe, einen Teil des „Sanierungsstaus“ abzuarbeiten. Aber es blieben immer noch die
Straßensanierungen, der ÖPNV, die Gewässerunterhaltung und vieles mehr; auch würde der
Kreis gerne noch mehr im Tourismus machen. Das alles müsse man leider zurückfahren oder
noch weiter hinausschieben.
Allerdings gebe es auch Positives zu berichten. In Zusammenarbeit mit den Pfalzwerken
plane man eine Energiegesellschaft, da es im Bereich der Photovoltaik noch erhebliches
Ausbaupotential gebe. Bis jetzt sei dies nur eine Absichtserklärung, aber es sei ein guter
Anfang, um die Energiewende vor Ort voranzutreiben. Abschließend lobte Niederhöfer die
Landtagskandidatin Giorgina Kazungu-Haß, die er im vergangenen Jahr beim Lambrechter
Heringsessen zum ersten Mal getroffen und inzwischen als „Powerfrau“ kennengelernt habe,
die es ernst damit meine, Neustadt und das Tal in Mainz zu vertreten.
Vom „Sommer der Hilfsbereitschaft“ zum „Winter des Abschieds“?
Die SPD-Landtagskandidatin Giorgina Kazungu-Haß schlug in ihrer Rede ebenfalls
nachdenkliche Töne an und bezog sich dabei auf einen Vers aus den Psalmen: „Herr, lehre
uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“
Um dieses „memento mori“ gehe es auch und gerade am Aschermittwoch, und die Aschekreuze in der
Aschermittwochstradition symbolisierten die Zerbrechlichkeit des Lebens, die sich auch bei
dem Zugunglück in Bayern auf tragische Weise gezeigt habe. Man könne das „memento
mori“ aber auch als Botschaft der Chance verstehen: „Lasst uns die positive Antwort auf den
Tod sein und die Zeit nutzen, die uns gegeben ist!“
Eine solche positive Einstellung hätten im Sommer viele gezeigt, die die ankommenden
Flüchtlinge geradezu enthusiastisch empfangen hätten. Eine ganze Nation sei im Rausch der
Hilfsbereitschaft gewesen. Und für manche sei es eine Enttäuschung gewesen, zu erkennen,
dass diejenigen, die zu uns kamen, eben doch „nur Menschen“ seien: Manchen sei es im
Herbst kalt geworden im Zelt, manche hätten sich beschwert, dass sie keinen schnelleren
Verfahrenstermin bekamen. Andere seien, wie der Innenminister moniert habe, im Taxi
durchs Land gefahren. Wie unter allen Menschen, so gebe es eben auch unter den
Flüchtlingen freundliche und weniger freundliche, gute und schlechte – „Flüchtling ist eben
kein Ausbildungsberuf“, so Kazungu-Haß.
Auf den Sommer der Hilfsbereitschaft sei für viele ein Herbst der Ernüchterung gefolgt – und
manche wollten schnellstmöglich den „Winter des Abschieds“ einläuten. Manche ereiferten
sich sogar so sehr, dass sie laut über einen Schusswaffengebrauch an der Grenze nachdächten.
Natürlich werde es Abschiede geben, auch schmerzhafte Abschiede. Die Aufgaben, die nun
anstünden, seien nicht leicht – „das wird harte Arbeit“. Umso wichtiger sei es, sich von
denjenigen abzugrenzen, die allzu einfache Lösungen vorschlagen. Ebenso wichtig sei es, von
jeder Form des Rassismus ganz deutlich auf Distanz zu gehen: „Wenn jemand etwas
Rassistisches sagt, dann ist er ein Rassist!“, betonte die Landtagskandidatin.
Es gebe eine Alternative zum „Winter des Abschieds“, aber keine einfache, keine, die auf ein
Plakat passe. Daher plädierte Kazungu-Haß dafür, nicht „jede Vernunft der schnellen
Schlagzeile zu opfern“. Es sei an der Zeit, Verantwortung zu leben. Und das heiße gerade
nicht, mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen aufzuwarten. Sie wünsche sich daher
mehr Substanz in der Debatte: „Komplexe Fragen brauchen komplexe Lösungen.“
Und es sei an der Zeit, Zusammenhalt zu leben, so Kazungu-Haß. Zusammenhalt sei eine
Pfälzer Tradition. Gerade bei den Veranstaltungen, die sie im Lambrechter Tal besucht habe,
sei ihr das klar geworden. Wie etwa in Frankeneck bei der Kerwe das ganze Dorf auf den
Beinen sei, in Lambrecht der Adventsmarkt von örtlichen Vereinen organisiert werde oder in
Esthal eine großartige Fastnachtssitzung auf die Beine gestellt werde – das alles habe sie sehr
beeindruckt und berührt. „Lasst uns diese Kraft nutzen, die in uns steckt!“
Insbesondere rief sie alle Anwesenden auf, am 13. März zur Wahl zu gehen. „Sie müssen
nicht mich wählen – aber bitte wählen Sie demokratisch! Wählen Sie eine gute, eine helle
Zukunft für unser Land.“
Heringe, Hausmacher und weißer Käse
Nach der Rede der Landtagskandidatin verteilten zahlreiche Helferinnen und Helfer die
Heringe und die „Gequellde“. Als Alternative wurden außerdem Hausmacher und weißer
Käse angeboten. Hanne Hartmann hatte die Heringe gespendet und zusammen mit ihrem
Mann Hans Josef und mit Katharina Grischenkow zubereitet; Brigitte Semmelsberger und
Ulrike Kobel kümmerten sich, wie schon seit vielen Jahren, um die Kartoffeln. Zahlreiche
Besucherinnen und Besucher ließen sich die Heringe schmecken; einziger Wermutstropfen:
Einige der Kartoffeln waren aus unerfindlichen Gründen etwas zu hart ausgefallen. Das
konnte jedoch den Genuss der Heringe kaum trüben. Anschließend wurde noch Schnaps
ausgeschenkt, den in diesem Jahr die Familien Fadenholz und Semmelsberger sowie ebenfalls
Hanne Hartmann freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatten.
Auch in diesem Jahr wurden die Speisen kostenlos serviert; um eine Spende am Ausgang
wurde gebeten, die, ebenfalls wie in den vergangenen Jahren, einem wohltätigen Zweck
zugute kommt. In diesem Jahr wird mit einem Teil des Erlöses der städtische
Seniorennachmittag unterstützt, und ein anderer Teil kommt ehrenamtlich veranstalteten
Deutschkursen für Flüchtlinge zugute.